Versorgung bei Gewalt
Mitarbeiter*innen der Gesundheitsversorgung können viel bewirken, wenn sie offen und zugewandt nach möglichen Gewalterfahrungen fragen. Sie müssen nichts Lösen und müssen niemanden Retten.
Der erste und wichtigste Schritt ist, das Thema aktiv und konkret anzusprechen. Sie brechen damit das Schweigen und das Tabu, mit dem häusliche und sexualisierte Gewalterfahrungen auch heute noch belegt sind.
Patient*innen befürworten es, auf mögliche Gewalterfahrungen angesprochen zu werden. Für Einige kann es das erste Mal sein, dass sie über aktuelle oder zurückliegende sexualisierte Gewalterfahrungen oder über Gewalt durch einen Partner oder eine andere nahestehende Person berichten. Klare Signale wie "Niemand hat das Recht, Sie so zu behandeln", "Gewalt ist nie ok", "Sie sind nicht Schuld an dem was geschehen ist", "Sie sind nicht verantwortlich für das Handeln ihres Partners" und "Sie haben ein Recht auf Hilfe und Unterstützung" sind für Betroffene hilfreich, um das Erlebte einzuordnen und zu bewältigen.
Im zweiten Schritt geht es um die praktische Unterstützung: medizinische Versorgung - bei sexualisierter Gewalt incl. Nofallverhütung und Prophylaxe (HIV, STDs), die gerichtsfeste Dokumentation und die Sicherung von Spuren, das Abklären einer akuten Gefährdung und das Bahnen von Wegen ins speziailisierte Hilfesystem. Fachberatungsstellen bei häuslicher und sexualisierter Gewalt sind häufig unbekannt und die wenigsten Betroffenen wissen, wie sie bei Bedarf Kontakt zu einer spezialisiertgen Beratungsstelle oder zu einem Frauenhaus aufnehmen können. Mitarbeiter*innen der Gesundheitsversorgung können über diese Angebote informieren und bei der Kontaktaufnahme unterstützen. Leben Betroffene mit Kindern zusammen, sind diese Angebote umso wichtiger und stärken stets auch den Schutz der Kinder.
Die WHO bezeichnet diese Versorgungsschritte als "Ersthilfe". Sie fordert, dass Ersthilfe nach Gewalt in Paarbeziehungen und nach sexualisierter Gewalt umgehend und überall im Gesundheiswesen geleistet werden kann. Ist dies nicht oder nicht für alle Schritte möglich, geht es darum dafür Sorge zu tragen, dass eine andere Stelle oder eine andere Person diese Aufgabe übernimmt. Wichtig ist stets eine unterstützende Grundhaltung, das Erfragen von Bedürfnissen und die Selbstbestimmung de Betroffenen zu achten und zu stärken.
Am RTB setzen sich die Kammern, viele Berufsverbände und Interessenvertretungen für die Verankerung der Ersthilfe im jeweiligen Versorgungsbereich ein und erarbeiten konkrete Handlunsempfehlungen und Arbeitsmaterialien für die Praxis. Diese und weitere Unterlagen für die gezielte Versorgung bei häuslicher und sexualisierter Gewalt stehen Ihnen hier zur Verfügung. Die Informationen werden kontinuierlich aktualisiert und ergänzt.
Schritte in der Versorgung
Ein Interventionsprogramm, das vor allem in Kliniken und niedergelassenen Arztpraxen positiv evaluiert ist, ist das S.I.G.N.A.L. Interventionskonzept. Ein 3-minütiger Erklärfilm (s.u.) gibt Einblick in die zentralen Versorgungsschritte.
Handbuch zur Versorgung
Das klinische Handbuch der WHO für die Versorgung nach häuslicher und sexualisierter Gewalt bietet praktische und konkete Hilfestellungen und Anregungen. Es basiert auf den evidenzbasieren Leitlinien der WHO. Wir empfehlen es gerne. Bestellen Sie es kostenfrei über die Geschäftsstelle des RTB: RunderTisch@signal-intervention.de